Erfahrungsbericht Ghana
„This is black africa“, sagte Maxwell zu mir „Akwaaba“
Ich bin schon einmal in Ägypten gewesen, doch tatsächlich war es meine erste Reise ins wirkliche Afrika, wie man mir sagte. Die Aufregung kam erst als der Flieger in den Landeanflug auf Accra ging. Aber da ich abgeholt werden sollte, machte ich mir etwas weniger Sorgen. Also ging ich nach der Visumkontrolle zum vereinbarten Ort – dem einzigen Bankautomat weit und breit. Meinen Namen konnte ich beim Vorbeigehen an all den hochgehaltenen Schildern nicht sehen. Am Geldautomat wartete ich dann. Zur Sicherheit schaltete ich mein Handy ein um eventuell einmal kurz bei Etel anzurufen, dass ich gelandet bin. Doch: „No service“. Ui, dachte ich dann holst’e auf jeden Fall schon mal Geld ab, du stehst ja direkt daneben. Doch: „Out of order“. Dinge, die man immer wieder sieht in Ghana. Doch es wird improvisiert und am Ende klappt‘s bei den Ghanaern doch irgendwie. Ich dachte nur „ui“, da bleibt nur warten. Doch es kam niemand. Eineinhalb Stunden waren vorbei – Nichts. Ich fragte ein weißes Paar, ob ich eventuell kurz mit ihrem funktionierenden Telefon kurz bei Etel Bescheid sagen könne. Vorher checkte ich aber nochmal die Schilder der Personen, die Fluggäste abholten. Und da stand mein Name drauf… ganz vorne! Aha, Glück gehabt… Dann kann das Abenteuer Ghana jetzt losgehen.
Ich übernachtete bei Etel und sie brachte mich am nächsten Tag zum Bus, der mich nach Dormaa bringen sollte. Nach 8 Stunden Fahrt, waren wir in Sunyani und der Bus endete dort. Ich fragte den Busfahrer, wie ich weiter kommen sollte, ich wusste schließlich nicht wohin? Er empfahl mir ein TroTro. Das sind 20 Jahre alte Ford Transits oder Sprinter, die in Europa ausrangiert werden, weil sie nicht mehr verkehrssicher sind und in Afrika mit Bänken versehen werden um möglichst viele Menschen möglichst schnell von A nach B zu bringen.
Es wurde schon dunkel, als wir endlich los fuhren. Denn Abfahrt ist erst, wenn jeder Platz besetzt ist und das Gefährt bis unters Dach gefüllt ist. Das kann auch durchaus mal bis zu 2 Stunden dauern, wie ich später noch erlebt habe. Auf der zweistündigen Fahrt nach Dormaa öffnete sich der Himmel und begrüßte mich mit einem wahnsinnigen Regenschauer, sodass wir im Auto nass wurden. Zum Glück kannte eine Mitfahrerin meine Gastmutter und brachte mich zu ihr, nachdem uns das TroTro irgendwo in Dormaa rausgeschmissen hat. Ich erkannte nichts. Es war pechschwarze Nacht, weil mal wieder Stromausfall war. Den erlebte man nicht nur nach Gewitter oder Regen, sondern gehörte fest zum Tagesablauf wie der krähende Hahn um 5:30 am Morgen.
Zwei Tage später begann ich dann meinen Freiwilligendienst am „Presbyterian Hospital Dormaa“. Die ersten 2 Wochen war ich auf der Kinderstation, die letzten 2 in der Geburtshilfe. Ich war erstaunt über die Ausstattung des Krankenhauses. Zum einen gab es Röntgen und Ultraschall, zum anderen wurden die Herzgeräusche der Feten mit einem Fetoskop bestimmt. Die Behandlungsweise der Erkrankungen gleicht der unserer Vorstellung von Medizin, jedoch ist die Umsetzung der Therapie auf Grund der vorhandenen Mittel begrenzt. Ich sah Erkrankungen, die man in Deutschland nur aus dem Lehrbuch kennt. Jeder zweite hatte Malaria, ich sah eine Bilharziose, eine Gaumenspalte, die die Eltern erst mit 5 Jahren bei dem Kind entdeckten, eine Liquorcele bei einer Vierjährigen, denen das Geld für eine Operation in der nächst größeren Stadt fehlt und, und, und.
Während des Aufenthalts lernte man viel über die Menschen Ghanas. Ich empfand sie als sehr laut. Und damit meine ich wirklich sehr, sehr laut. In Kirchen und Bars wurde die Musik immer bis zum Kratzen der Lautsprecher aufgedreht. Die Menschen unterhalten sich in einer Lautstärke, die für uns schon an die Schmerzgrenze geht. Dadurch wirkt es dann so, als wollten die Ghanaer immer gleich etwas von einem und es wirkte forsch. Man hat sich zwar daran gewöhnt, aber gerade die Lautstärke der Musik war mir bis zum Ende unangenehm.
Eine weitere Eigenart, mit der wir deutschen (jedenfalls ich) nicht so zurechtkommen, ist das Thema der Pünktlichkeit. Immer wieder hieß es auf meine Frage hin wann wir los müssten: „Yes, seven – eight.“ Als ich nachhackte, ob es sich dabei um 7 oder 8 oder gar halb 8 handelte, hieß es dann: „Yes, seven thirty.“ Ok, dachte ich und war dann immer fertig. Doch wann ging es wirklich los? Vielleicht halb 9, wenn’s früh wurde, meistens aber später. Am 6. März, dem Nationalfeiertag Ghanas war es nicht anders. Das offizielle Programm mit Marschieren der Schulen und Anwesenheit des Bürgermeisters sollte um 8 beginnen. Doch wann startete die Zeremonie? Um viertel vor 10. Bei Meetings im Krankenhaus verhielt es sich genauso und auch sonst bei Absprachen. Das zog sich durch die gesamten 6 Wochen, selbst am Ende, als ich zum Flugplatz fuhr, kam ich später an, als ich eigentlich wollte. Geklappt hat es aber trotzdem immer irgendwie. Es gehört eben zu deren Mentalität und zu einer Reise in andere Kulturen dazu.
Nach dem Praktikum hatte ich noch eine Woche, bevor es zurück nach Deutschland ging. Mit Ronja, welche auch über Onipa Nti in einer Schule in Dormaa war, bin ich dann Richtung Küste aufgebrochen. Wir erlebten ein ganz anderes Ghana, wie es in Dormaa war. Auf den Spuren der europäischen Kolonialmächte besuchten wir die Burgen, welche einst dem Sklavenhandel nach Amerika und Europa dienten. Eine wirklich sehr eindrückliche Erfahrung.
In Cape Coast besuchten wir einen der größten Umschlagsplätze für Westafrika. Selbst Obama ist dort gewesen, um die Geschichte zu erfahren. In Elmina hingegen sahen wir die älteste und größte Burg, welche 275 Jahre von den Holländern als Standort in Westafrika genutzt wurde. Bei der Besichtigung der Kerker lief man auf den festgetretenen Exkrementen der Sklaven, welche zum neuen Fußboden geworden sind. Man sah die Spuren der Ketten, mit denen die Totgeweihten in den Zellen angekettet waren.
Da in Ghana immergrüner Regenwald ist, machten wir einen Abstecher in den Kakum Nationalpark. Es gibt die Möglichkeit über ein Brückensystem in bis zu 40 Metern Höhe in den Baumwipfeln von einer Plattform auf die nächste zu gehen und dabei einen wunderschönen Blick über das Dach des Waldes zu haben. Und wie es kommen musste im Regenwald fing es gleich zum Start der kleinen Wanderung an zu Regnen. Die Holzplanken der schmalen Brücken wurden nass und rutschig. Doch der Blick der sich einem bot, war mit dem aufsteigenden Dampf des Regens noch atemberaubender. Das ganze Ausmaß konnte man mit dem Fotoapparat gar nicht komplett festhalten.
Einen Tag vor der Abreise planten wir einen Ausflug an einen der wunderschönen Strände, die im Reiseführer beschrieben wurden. Wir wurden nicht enttäuscht. Der Strand sah aus wie in einer Werbung für Bounty, Bacardi und Rafaello zusammen.
Es gab ein kleines Restaurant am Strand und Hängematten wurden aufgehängt. Ein
afrikanischer Junge kletterte für uns auf eine Palme und holte zwei frische Kokosnüsse
herunter. Wir aßen frische Mango und genossen das Wasser und die Ruhe am Strand. Es war herrlich und man konnte schon einmal Revue passieren lassen was man so alles gesehen hat.
Man konnte schwer glauben 6 Wochen in Ghana gewesen zu sein und all diese Eindrücke gesammelt zu haben. Richtig verstehen tut man es auch erst, wenn man zurück in Deutschland ist und sich die gemachten Fotos anschaut. Neben guten Erfahrungen hat man auch einige gemacht, die einem eher zum Nachdenken angeregt haben, sodass die Freude zurück nach Deutschland zu fliegen am Ende groß war.
Und das Hauptfazit, neben einer eindrucksreichen Zeit ist: Wie gut man es doch in
Deutschland hat.
Lübbert Lübbers